ARBEITSRECHT UND HOMEOFFICE FÜR GRENZÜBERSCHREITENDE ARBEITNEHMER AUS SCHWEIZER SICHT Spahni Stein Rechtsanwälte Autor: Dr. iur. Roger Hischier Bei Arbeitsverhältnissen mit grenzüberschreitendem Sachverhalt, so namentlich bei Beschäftigung von Grenzgängern mit Homeofficearbeit, harren mindestens zwei Rechtsordnungen ihrer Anwendung. Dabei sind namentlich folgende Rechtsgebiete betroffen: Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungsrecht Sozialversicherungsrecht Steuerrecht Arbeitsrecht Vorliegend soll nur der Bereich des Arbeitsrechts beleuchtet werden. Das Arbeitsrecht hat grundsätzlich weltweit zum Ziel, den Arbeitnehmer als schwächere Partei zu schützen. Auf nationaler Ebene wird dies mittels zwingender Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer umgesetzt. Auf internationaler Ebene wird dies durch Ausschluss oder Einschränkung der wählbaren Gerichtsstände und wählbaren Rechtsordnungen zu erreichen versucht. Im Bereich der internationalen Zuständigkeit ist die Schweiz Vertragsstaat des Lugano Übereinkommens, dem nebst den EU-Staaten auch noch Dänemark, Island und Norwegen angehören. Liechtenstein und das Vereinigte Königreich zählen nicht dazu. Das LugÜ kommt zur Anwendung, wenn mindestens der Beklagte seinen Wohnsitz bzw. Sitz in einem Vertragsstaat hat. Bei arbeitsrechtlichen Sachverhalten genügt es auch, wenn sich die Niederlassung des Arbeitgebers in einem Vertragsstaat befindet. Das LugÜ schliesst grundsätzlich eine Gerichtsstaatsvereinbarung aus, wenn sie vor Entstehung der Streitigkeit getroffen wurde aus (Art. 21 LugÜ). Sodann kann der Arbeitnehmer seine Klage am Sitz des Arbeitgebers oder an seinem gewöhnlichen Arbeitsort einreichen. Dagegen kann der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer nur an dessen Wohnsitz einklage, womit der Arbeitgeber arbeitsrechtliche Ansprüche gegen Grenzgänger generell an deren ausländischem Wohnsitz geltend machen muss. Auf der anderen Seite muss der im Ausland lebende Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber in der Schweiz einklagen; es sei denn, er hat seinen gewöhnlichen Arbeitsort in einem anderen Staat, namentlich in seinem Wohnsitzstaat. Letzteres wird in der Regel der Fall sein, wenn er mehr als 50% im Homeoffice arbeitet. Dann kann er die Klage gegen seinen Arbeitgeber im Wohnsitzstaat anhängig machen. Ist der Prozess vor einem schweizerischen Gericht anhängig, bestimmt dieses nach Art. 121 IPRG, welches Recht auf das zu beurteilende Arbeitsverhältnis anwendbar ist. Ist ein ausländisches Gericht zuständig, hat dieses nach seiner eigenen Rechtsordnung das auf den Fall anwendbare Recht festzulegen. 46 convinus.com
ARBEITSRECHT UND HOMEOFFICE FÜR GRENZÜBERSCHREITENDE ARBEITNEHMER AUS SCHWEIZER SICHT Spahni Stein Rechtsanwälte Nach Art. 121 Abs. 3 IPRG stellt das schweizerische Gericht auf die von den Parteien gewählte Rechtsordnung ab, sofern es sich dabei um eine der folgenden Rechtsordnung handelt: Das Recht des Staates, in dem Arbeitnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, in dem der Arbeitgeber seine Niederlassung, seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Falls eine andere oder gar keine Rechtsordnung von den Parteien gewählt wurde, ist die Rechtsordnung des Staates anwendbar, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet (Art. 121 Abs. 1 IPRG). Verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit in mehreren Staaten und lässt sich unter diesen kein gewöhnlicher (Haupt-)Arbeitsort eruieren, ist die Rechtsordnung des Staates massgebend, in dem sich die Niederlassung oder, wenn eine solche fehlt, der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des Arbeitgebers befindet (Art. 121 Abs. 2 IPRG). Wie eingangs erwähnt, wird Arbeitnehmerschutz auf nationaler Ebene mittels zwingender Bestimmungen umgesetzt. Ob und wie zwingende Bestimmungen zu beachten sind, ist den Kollisionsnormen des Staates, in dem sich das zuständige Gericht befindet, zu entnehmen. Dabei sind grundsätzlich vorab alle Bestimmungen, der auf den Fall anwendbaren Rechtsordnung zu beachten, sofern sie auf den konkreten Fall anwendbar sind. So gilt beispielsweise das schweizerische Arbeitsgesetz mit seinen zwingenden Bestimmungen nur bei Arbeitsverrichtung in der Schweiz, nicht jedoch im Ausland. Generell sind zwingende Bestimmungen am tatsächlichen Arbeitsort – ungeachtet der sonst anwendbaren Rechtsordnung – einzuhalten, da deren Beachtung regelmässig von den dort ansässigen Behörden oder anderen mit deren Durchsetzung betrauten Stellen (z.B. Paritätische Berufskommissionen) mit Zwangsmassnahmen, namentlich Kontrollen und Bussen, durchgesetzt werden. Dabei geht es namentlich um Arbeits-, Ruhezeit- und Feiertagsvorschriften, Sicherheitsvorschriften und Vorschriften zum Schutz speziell schützenswerter Personen, wie Jugendliche und Frauen. Damit von einem Schweizer Gericht ausländische nicht der anwendbaren Rechtsordnung entstammende Mindestlohnvorschriften, Vorschriften, welche einen Vergütungsanspruch für Mehrarbeit oder andere Umstände vorsehen, Kündigungsvorschriften oder nachvertragliche Konkurrenzverbote, angewendet werden, müssen entsprechend Art. 19 IPRG nebst dem zwingenden Anwendungswillen auch noch verschiedene andere Voraussetzungen erfüllt sein. Ist also ein Grenzgänger bei einem Arbeitgeber in der Schweiz angestellt, untersteht der Arbeitsvertrag – falls vor einem schweizerischen Gericht geklagt wird – grundsätzlich dem gewählten Recht. Mangelt es an einer Rechtswahl ist das Recht am gewöhnlichen Arbeitsort des Arbeitnehmers anwendbar. Der gewöhnliche Arbeitsort ist dort angesiedelt, wo der Arbeitnehmer seine Haupttätigkeit ausübt, was in den meisten Fällen dort sein wird, wo er am meisten arbeitet. Wenn der Arbeitnehmer mehr als 50% im Homeoffice seiner Arbeit nachgeht, wäre der gewöhnliche Arbeitsort grundsätzlich dort angesiedelt. 47 convinus.com
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